Verantwortung, Verkauf, Verbleib: Nichtfinanzielle Auswirkungen von Familienunternehmensverkäufen.
Familienunternehmen verkaufen erst, wenn sie keine andere Alternative zur Verfügung haben – so besagt es die Familienunternehmensforschung (Chirico, Gomez-Mejia, Hellerstedt, Withers & Nordqvist, 2020). Die Stiftung Familienunternehmen (2023) veröffentlichte, dass die Neigung der nächsten Familienunternehmer:innen-Generation (kurz: NextGen), das eigene Unternehmen als Nachfolgeoption zu verkaufen, im Vergleich zu 2020 von 14,4% auf 23,2% gestiegen ist. Kombiniert man diese Zahl mit dem Fakt, dass bei 190.000 Familienunternehmen in Deutschland die Unternehmensübernahme aktuell bevorsteht (Fels, Schlömer-Laufen & Ray, 2021), lässt sich vermuten, dass wir uns im Rahmen der Nachfolgeplanung verstärkt mit Unternehmensverkäufen auseinandersetzen müssen.
In jüngster Berichterstattung zu Verkäufen von Familienunternehmen werden vorwiegend Verkaufspreis und Arbeitsplatzsicherung thematisiert. Definitiv ist diese Diskussion eine relevante, da es sich um essentielle Kennzahlen unseres Wirtschaftssystems handelt. Dennoch wird ein wesentliches Merkmal oftmals aussen vorgelassen: Nichtfinanzielle Auswirkungen von Familienunternehmensverkäufen.
Beschäftigt man sich intensiver mit Familienunternehmen, bemerkt man schnell, dass die Unternehmerfamilie das Unternehmen und dessen Entwicklung massgeblich beeinflusst. Das sogenannte sozioemotionale Vermögen wird in Forschungskreisen an dieser Stelle gerne zitiert. Dazu gehören Traditionen, die die Familie über Generationen aufgebaut hat und über Generationen weitergeben möchte, Werte der Familie, die dem Unternehmen als Leitplanken dienen sowie die emotionale Bindung der Familie an Mitarbeitende und das Unternehmen, das nicht selten von Familienunternehmer:innen als Lebenswerk betrachtet wird.[1]
Vor diesem Hintergrund stellt sich mir in meiner Promotion bei Prof. Dr. Nadine Kammerlander am Institut für Familienunternehmen und Mittelstand der WHU – Otto Beisheim School of Management die Frage, wie Unternehmerfamilien mit dem Verkauf des eigenen Unternehmens umgehen und welche nichtfinanziellen Auswirkungen der Verkauf birgt. Die bisherigen Erkenntnisse meiner Forschung weisen drei Aspekte auf, die für diese nichtfinanziellen Auswirkungen eine zentrale Rolle spielen: Die Herangehensweise, die Identität und das Verständnis der Familie.
TUN
Herangehensweise der Familie
Wie geht es nach dem Verkauf für uns als Familie weiter? Bei dieser Frage findet man sich schnell bei Investmentstrategien, Single- oder Multi-Family Office-Überlegungen, Asset-Klassen und philanthropischem Engagement wieder. Ein Unternehmensverkauf eröffnet viele neue, oftmals finanzielle Möglichkeiten, hinterlässt aber mindestens genauso viele Fragen. Was bedeutet Unternehmertum für uns als Familie? Wollen wir unternehmerischen Aktivitäten nachgehen? Wenn ja, gemeinsam als Familie oder individuell?
Was ich in meinen bisherigen Forschungsgesprächen beobachten konnte, ist ein tiefgreifender Reflektionsprozess. Vielen Familienunternehmer:innen ist klar, dass sie weiter unternehmerisch tätig sein und mit ihrem Kapital einen sinnvollen Beitrag zur Gesellschaft leisten wollen. Herangehensweise und Startpunkt sind es für sie oftmals jedoch nicht. Ein hilfreicher Ausgangspunkt kann die Frage bieten, in welchen Bereichen man als Familie oder Unternehmer:in besondere Stärken, Expertisen und Begeisterungen aufweist.
SEIN
Identität der Familie
Was zeichnet uns als Familie im Kern aus? In vielen Unternehmerfamilien ist das eigene Unternehmen der zentrale Bindungsfaktor. Es (ver-)bindet die Familie finanziell, emotional und in ihrer Identität.
Im Falle eines Verkaufs fällt dieser massgebliche Teil weg und damit potentiell die Bindung zwischen Familienmitgliedern und -stämmen. Traditionen gehen vermeintlich verloren, die Bindung zu den Mitarbeitenden, die oft als erweiterte Familie gesehen werden, reduziert sich deutlich und man wird zum extern Betrachtenden der Unternehmensentwicklung ohne jeglichen Einfluss auf das ehemalige Lebenswerk. Der Verkauf kann das Wertesystem und die Identität der Familie grundlegend in Frage stellen – gerade aus nichtfinanzieller Perspektive. Diese gilt es im Reflektions- und Findungsprozess zu beantworten.
ENKELFÄHIGKEIT
Verständnis der Familie
Wie verstehen wir uns als Unternehmerfamilie? In meinen Gesprächen mit Familienunternehmer:innen zeichnen sich zwei grundlegende Verständnisse ab: Das eine Verständnis ist ein produktgetriebenes. Die Unternehmerfamilie fühlt sich stark mit ihrem Produkt und der dazugehörigen Industrie verbunden und möchte unternehmerischen Aktivitäten in diesem Bereich weiterhin nachgehen. Das zweite Verständnis bezieht sich auf die Vermögensperspektive. Die Familie versteht sich als Unternehmerfamilie, die über Generationen hinweg Vermögen aufgebaut hat und mit welchem sie fortwährend einen sinnvollen Beitrag durch ihre unternehmerischen Aktivitäten für die Gesellschaft leisten möchte. Für sie gibt es für das Unternehmen je nach Entwicklungsphase und Reifegrad nicht den oder die passendsten Eigentümer:in.
In beiden Fällen befassen wir uns bei der Enkelfähigkeit mit dem Kern des Familienunternehmertums. Beide Perspektiven ermöglichen die Weitergabe des Unternehmens an die nächste Generation. In den Gesprächen bin ich immer wieder Familienunternehmer:innen begegnet, die sich in Folge des Verkaufs nicht mehr als solche verstehen und nun auf der Suche nach einem neuen Antrieb sind. Die Enkelfähigkeit bietet hier eine sinnstiftende Möglichkeit – die Frage ist nur, wie sich die Familie versteht und auf welche Art und Weise sie die Enkelfähigkeit umsetzen möchte.
Diese drei Aspekte verdeutlichen, dass mit einem Familienunternehmensverkauf zwar viele neue Möglichkeiten einhergehen, jedoch nichtfinanzielle Faktoren ebenso wichtig für den Umgang mit dem Verkauf sind wie Integrationsprozesse und Investmentstrategien. Der Verkauf eines Familienunternehmens ist somit eine Chance für neue unternehmerische Sinnstiftung und Wertschöpfung.
Für Constantin Ehret, selbst aus einer Unternehmerfamilie stammend, ist das Thema Familienunternehmen fest in seiner DNA verankert. Er hat Corporate Management and Economics an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen sowie Entrepreneurship an der WHU – Otto Beisheim School of Management studiert. In dieser Zeit hat er sich in diversen, honorierten Forschungsprojekten mit Familienunternehmen – zu ihrer Innovationskultur, ihrer Arbeitgebermarke und Wahrnehmung der Generation Y sowie den Möglichkeiten von Innovationskollaborationen mit Startups – befasst. Zusätzlich verfügt er über vielseitige praktische Erfahrungen zu diesen Themen sowie in der Familienunternehmensberatung. Als Doktorand am Institut für Familienunternehmen und Mittelstand der WHU – Otto Beisheim School of Management und Stipendiat der EQUA-Stiftung intensiviert er seine Leidenschaft aus forschender Perspektive. Neben seiner Promotion verantwortet er das Business Development im Maschinenraum in Berlin. Der Maschinenraum vernetzt als Ökosystem Familienunternehmen, um den Herausforderungen mittelständischer Unternehmen zu begegnen, zukunftsfähige Lösungen zu schaffen und die Transformations- und Innovationskraft der Mitgliedsunternehmen zu stärken. Durch die enge und herzliche Verbundenheit der Familienunternehmenswelt begegnen sich Constantin und FUTUN wieder und wieder.
[1] Denen, die sich tiefer mit sozioemotionalem Vermögen auseinandersetzen möchten, empfehle ich Hauck, Suess-Reyes, Beck, Prügl, & Frank, (2016). Measuring socioemotional wealth in family-owned and-managed firms: A validation and short form of the FIBER Scale.
Chirico, F., Gómez-Mejia, L. R., Hellerstedt, K., Withers, M., & Nordqvist, M. (2020). To merge, sell, or liquidate? Socioemotional wealth, family control, and the choice of business exit. Journal of Management, 46(8), 1342-1379.
Fels, M., Suprinovic, O., Schlömer-Laufen, N., & Kay, R. (2021). Unternehmensnachfolgen in Deutschland 2022 bis 2026 (No. 27). Daten und Fakten.
Stiftung Familienunternehmen (Hrsg.): Deutschlands nächste Unternehmergeneration – 6. Studie zu Einstellungen, Werten und Zukunftsplänen der Next Gens, erstellt vom Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen (FIF), München 2023.
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