Venture Capital als eine Haltung verstehen: Einblicke in eine transformative Investmentreise.

Family Offices spielen eine zunehmend wichtige Rolle im Venture-Capital-Ökosystem. Doch was braucht es wirklich, um ausgehend von einem klassischen unternehmerischen Denken zu einem, bzw. einer erfolgreichen VC-Investor:in zu werden?
Aus eigener Erfahrung weiss ich: Diese Transformation ist anspruchsvoll – und auch enorm erfüllend.
Nach über drei Jahrzehnten in der Finanzwelt, davon viele Jahre in der Beratung von Unternehmerfamilien und Family Offices, habe ich unzählige Transformationsprozesse begleitet. Was mir dabei immer wieder begegnet ist: Die Herausforderung, nach dem aktiven Unternehmertum eine neue Rolle zu definieren. Family Offices stehen oft vor der Frage, wie sie ihr Vermögen nicht nur sichern, sondern langfristig Werte schaffen können – für ihre Familie, aber auch für die nächsten Generationen. Venture Capital bietet eine einzigartige Möglichkeit, genau das zu tun. Doch um hier erfolgreich zu investieren, bedarf es eines grundlegenden Verständnisses für diese Anlageklasse und ihre Besonderheiten.
Am Anfang stehen die Werte
Oft beginnt dieser Wandel mit einer ganz einfachen, aber tiefgehenden Frage: Für welche Werte steht die Familie ein und wie können diese auch in Zukunft gelebt werden? Viele Familien befinden sich nach einem Unternehmensverkauf in einer Art Identitätslücke. Was früher der operative Alltag war, wird nun zur strategischen Frage: Welche Rolle möchten wir künftig einnehmen? Wie wollen wir weiterhin unternehmerisch wirken – ohne eigenes Unternehmen?
Venture Capital kann dabei ein kraftvolles Instrument sein – aber nur, wenn es richtig verstanden und strategisch eingesetzt wird. Es geht um weit mehr als Rendite: Es geht um Wirkung, Verantwortung und Zukunftsfähigkeit.
Viele vermuten, es handle sich einfach um eine weitere Asset-Klasse. Doch Venture Capital ist anders. Es verlangt Geduld, Tiefe und aktive Mitgestaltung. Es ist weder planbar noch passiv. Es braucht ein echtes Verständnis dafür, wie Innovation entsteht, wächst – und manchmal auch scheitert. Family Offices, die in diesem Bereich erfolgreich sein möchten, müssen sich auf die lange Frist einstellen. Wirkliche Erfolge zeigen sich oft erst nach fünf bis zehn Jahren. Gleichzeitig ist eine breite Diversifikation entscheidend, um das Risiko einzelner Ausfälle abzufedern. Und nicht zuletzt ist der Zugang zu qualitativ hochwertigen Startups meist personenbasiert – er funktioniert über Netzwerke, nicht über Plattformen oder klassische Marktzugänge.
Investition und Aktion gehen Hand in Hand
Was mir in der Praxis immer wieder auffällt: Viele Familien unterschätzen, wie viel Know-how und Nähe zum Geschehen nötig ist. Venture Capital wird oft wie eine passive Beteiligung behandelt – doch das führt selten zum Erfolg. Ohne tiefgehende Due Diligence steigt das Risiko, in nicht nachhaltige Geschäftsmodelle zu investieren. Auch die Erwartungshaltung ist häufig nicht realistisch: Wer auf kurzfristige Gewinne hofft, wird enttäuscht. VC braucht Geduld, klare Strategien und ein aktives Engagement.
Dabei könnte es anders laufen. Der Aufbau eines kleinen, spezialisierten Investmentteams kann den Unterschied machen. Auch Co-Investments mit Partnern und Partnerinnen, die bereits tief im VC-Ökosystem verankert sind, ermöglichen einen besseren Zugang und Austausch. Und nicht zuletzt ist eine fundierte Selektion entscheidend – nicht der Hype, sondern Substanz sollte den Ausschlag geben.
Ebenso wichtig ist die richtige personelle Ausstattung. Erfolgreiche VC-Investments erfordern ein Team mit analytischem Verständnis für Geschäftsmodelle, Marktpotenziale und skalierbare Strukturen. Netzwerkpflege wird zur Kernkompetenz – denn der Zugang zu den besten Deals hängt oft von persönlichen Beziehungen ab. Und schliesslich braucht es professionelles Portfolio-Management: Startups müssen aktiv begleitet und strategisch weiterentwickelt werden, nicht nur finanziell.
Vermögen heißt Verantwortung
An ebendieser Schnittstelle zwischen Vermögen und Verantwortung anzusetzen, treibt mich seit der Gründung von Unicorn Anchor an. In meiner Arbeit mit Family Offices habe ich immer wieder gesehen, wie herausfordernd es sein kann, die passenden Startups zu finden: solche, die wirtschaftlich erfolgreich sind und zugleich kulturell wie wertebasiert zum investierenden Umfeld passen. Denn ein Investment ist aus meiner Sicht nie nur eine finanzielle Entscheidung – es ist auch eine langfristige Beziehung auf Augenhöhe.
Dabei hat sich in der langjährigen Begleitung vieler Gründer:innen immer wieder bestätigt: Entscheidend sind die Menschen. Ein starkes, sich ergänzendes Gründungsteam mit einer klaren Vision macht oft den Unterschied. Natürlich spielen auch die Skalierbarkeit, ein überzeugendes Geschäftsmodell und die Abgrenzung vom Wettbewerb eine Rolle – aber im Zentrum stehen die Persönlichkeiten, deren Erfahrungen und ihre Überzeugungen.
Dieses über die Jahre gewachsene Wissen bildet die Grundlage der strukturierten Auswahlprozesse, in denen ich heute auf Gründer:innen und deren Unternehmen blicke. Dabei ist es mir wichtig, Startups nicht nur auf Zahlen und Märkte zu reduzieren, sondern sie ganzheitlich zu betrachten – und sie auch nach dem Investment weiter zu begleiten. Für mich ist das ein zentraler Teil unternehmerischer Verantwortung: nicht nur Kapital zu geben, sondern Vertrauen, Zeit und echtes Interesse.
Was mich persönlich motiviert, ist der Wandel, den ich bei vielen Familien beobachte: Aus passiven Investor:innen werden aktive Gestalter:innen. Aus distanzierter Beobachtung wird echte Mitverantwortung. Und nicht selten entsteht dabei auch ein neues Familiennarrativ – eines, das Verantwortung, Wirkung und wirtschaftlichen Erfolg auf kluge Weise verbindet.
Für mich ist Venture Capital kein Finanzprodukt. Es ist eine Haltung. Eine Haltung, die Unternehmertum neu denkt – und weiterträgt. Über Generationen hinweg.
Robert Skrobak ist Gründer und CEO der Unicorn Anchor AG. Nach vielen Jahren in der Finanzwelt, unter anderem in der Begleitung von Unternehmerfamilien und Family Offices, widmet er sich heute der Frage, wie Vermögen verantwortungsvoll, erfolgreich und unternehmerisch investiert werden kann. Mit Unicorn Anchor unterstützt er Familien dabei, Startups zu finden, die nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell und wertebasiert passen – und so neues unternehmerisches Wirken über Generationen hinweg ermöglichen.
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