Zeit für Differenz: Lernen wir den Generationenkonflikt lieben!

Wir befinden uns in Zeiten des Umbruchs, einem Wandel der Epochen, und das tut weh. Gut so, denn nur so kommen wir in die Zukunft. Wir bewegen uns aus dem Industriezeitalter in ein neues. Aber wohin die Reise geht, erscheint vielen noch unklar. Sorgen um Wohlstandsverlust und angeblich leistungsunfähige nächste Generationen verdecken die Sicht. Oft wird vom Informationszeitalter gesprochen, gelegentlich sogar so getan, als wären wir schon dort. Ich glaube, vor allem in Deutschland wissen wir, da ist es noch ein wenig hin – die Faxmaschine lässt grüssen. Die jüngeren Generationen, die Talente, um die sich viele Unternehmen nun reißen, fordern allerdings noch etwas anderes, nebst der Digitalisierung; Sie wollen dass sich ihre Innovationskraft, ihr Hinterfragen, ihre Leistung lohnt. Nicht endlos langweiligen «Beschäftigungen» nachgehen, um noch knapp über die Runden zu kommen. Sie hinterfragen zurecht unsere altbestehenden, festgefahrenen Wertvorstellungen zum Thema Leben und Arbeit. Wie können Unternehmen und vor allem Familienunternehmen also in Zeiten solcher Transformation Talente nicht nur anwerben, sondern sogar halten, innerhalb der eigenen Familie stärken und im Idealfall von ihnen lernen?
Rebellion mit Weisheit kombinieren.
In erster Linie ist es wichtig zu verstehen, dass der Generationskonflikt gut und wichtig ist. Das rebellische, hinterfragende Potenzial der jüngeren Generationen ist wichtig für die Gesundheit von Unternehmen, vor allem in unserem Zeitalter des Übergangs. Ebenso wichtig ist aber auch die Erfahrung, pathetisch gesagt, die Weisheit der Älteren. Strukturwissen, wie man die Ruhe bewahrt und eine Organisation führt, sind eben genau so wichtig wie der Innovationsdrang. Genau die Kombination dieser beiden Fähigkeiten macht Deutschland so fantastisch: viel Erfahrung KOMBINIERT mit endlosem Innovationspotenzial, vor allem im produzierenden Bereich. Vor allem Unternehmerfamilien kennen diesen Konflikt vermutlich schon aus dem Alltag und haben hier einen großen Vorsprung. Diese Stärke können sie allerdings nur nutzen, wenn sie einen produktiven Generationskonflikt zulassen, vielleicht kennt man diesen schon vom Abendbrottisch. Interessant wird es, wenn es gelingt, diese Kraft der Differenz auch am gemeinsamen Tisch im unternehmerischen Kontext, bspw. in einer Gesellschafterversammlung oder Strategiesitzung nutzbar zu machen.
Im Moment gehen die Menschen, die wirklich etwas Neues schaffen wollen, in die Welt der Start-ups. Schön und gut, nur scheitern sie dort zu 99 Prozent. Sollte es doch klappen, verschwinden das Unternehmen und das intellektuelle Kapital meist ins Ausland, zu den großen Risikoinvestoren. So kann das für Deutschland nicht weiter gehen – es ist ein Innovations-«Braindrain». Statt ewig zu motzen, gibt es aber auch Möglichkeiten, diese Energie wieder in unsere Unternehmen zurückzubringen. Wir brauchen junges, frisches, innovatives Blut in den Unternehmen, sonst sind wir wahrlich ein Auslaufmodell.
Lösungsvorschläge statt destruktiver Konflikte.
Eine Möglichkeit, gleich morgen etwas zu ändern, ist das sogenannte Reverse Mentoring. Hier werden die Senior- und Junior-Rolle umgedreht, das heißt, die jungen Menschen spielen für einen Tag Chef. Der Effekt der Wertschätzung und somit besseren Mitarbeiterbindung ist zwar ganz wunderbar, aber der wahre Vorteil liegt woanders: vieles von dem, «was wir immer schon so gemacht haben», wird dann hinterfragt. Und das ist verdammt gut so. Die Faxmaschine lässt grüßen.
Oft sind es Kommunikationsprobleme, nicht tatsächliche Differenzen zwischen den Generationen. Deswegen könnte man die Position des Generationenübersetzenden schaffen. Jedes Unternehmen hat solche Menschen, und nein, es sind nicht Männer, die mit Mitte 50 noch Käppis schräg auf dem Kopf tragen. Unternehmerfamilien können diese Personen viel leichter erkennen – haben sie doch mehr Übung in der Kommunikation zwischen Generationen. Wer sie im Unternehmen sucht, der findet sie auch, es ist bloß eine Frage des Gespürs. Kommunikation ist der Schlüssel zum Erfolg, wie so oft.
Wenn das nicht reicht, dann ab zur Quote. Soll heißen, eine Generationenquote in der Führungsebene. Wenn aus jeder Alterskohorte jemand vertreten ist, gibt es mehr Differenzen, das ist klar. Aber dadurch entsteht Reibung, und am Ende auch Innovation. Im Übrigen kommen dann auch weitaus mehr junge Bewerber:innen zum Unternehmen, denn die riechen, dass ein neuer integrativer Wind weht.
Die Lage ist also ernst, aber nicht hoffnungslos.
Es gibt unternehmenskulturelle Hebel, die man in Gang setzen kann. Wenn wir eine sinnvolle, produktive Streitkultur zwischen den Generationen in unsere Unternehmen integrieren, können wir im nächsten Zeitalter ganz vorne mitmischen. Ich glaube daran, wenn wir unsere Differenzen lieben lernen. So wie es Unternehmerfamilien schon von klein auf lehren, sind unsere Generationsdifferenzen das, was uns innovativ, lebendig und agil macht – wenn wir sie produktiv nutzen.
Seit seinem 24. Lebensjahr steht Tristan Horx als Speaker aus der Generation Y auf internationalen Bühnen. Aufgewachsen in der wohl bekanntesten Zukunftsforscher-Familie Europas, erlebt Tristan von früh an in einem natürlichen Mikrokosmos den Perspektiven-Clash des Generationssystems.
Feinsinnig und provokant bespielt er dabei Themen wie Nachhaltigkeit, Mobilität, Digitalisierung oder die Conscious Economy aus Perspektive jüngerer Generationen. Ob auf internationalen Bühnen, im TV oder in digitalen Formaten – der Kultur- und Sozialanthropologe setzt sich überall schonungslos für eine konstruktive, mutige und proaktive Gestaltung der Zukunft ein. Das tut er darüber hinaus auch als Dozent an der SRH Hochschule in Heidelberg und der Fachhochschule Wieselburg. Zudem arbeitet er seit 2019 als Kolumnist bei der Kronen Zeitung.
Seit 2023 öffnet er auch als Mitgründer und Frontman des Future:Project Räume für die transformative Zukunftsforschung für die nächste Gesellschaft. Dafür beleuchtet er auch mit seinem Vater Matthias Horx im Podcast «Horx & Horx» regelmäßig gesellschaftliche und zukunftsrelevante Themen. Dabei entstehen auch Publikationen wie dieses Buch der Vorausschau.
FUTUN kooperiert mit Tristan Horx, wenn es um Blicke in die Zukunft geht, die über Trends hinausgehen und ist von Beginn an Mitglied des Future:Club.
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