Unvorhergesehene Nachfolge: Identitätswandel von Quereinsteiger:innen.
Die familiäre Nachfolge und natürliche Überschneidung einzelner Identitätselemente von Eigentümerfamilien und Unternehmen wird von Außenstehenden oft als selbstverständlich angesehen. Jedoch fühlen sich die Nachkommen heute zunehmend von den unbegrenzten Möglichkeiten außerhalb ihres Betriebsgeländes angezogen und sehen den Kern ihrer Identität nicht mehr unbedingt innerhalb der Familienorganisation.
Dennoch besteht stets das Risiko plötzlicher Komplikationen innerhalb der Familie oder des Unternehmens, die von Tod oder Krankheit über familieninterne Konflikte und Änderungen des Geschäftsmodells bis hin zu finanziellen Problemen des Unternehmens reichen können. Tritt ein solches unvorhergesehenes Ereignis auf, wird häufig die nächste Generation hinzugezogen, um das aufgetretene Problem zu lösen, was letztendlich zu einer unerwarteten Nachfolge durch Quereinstieg der Nachkommen führen kann.
In ihrer Bachelorarbeit untersuchte Pia Morrow die Auswirkungen dieser unerwarteten Nachfolge auf die Identität von Quereinsteiger:innen und entwickelte eine Roadmap mit praktischen als auch theoretischen Handlungsimplikationen, um ebendiesen Nachfolger:innen den Einstieg und die Entwicklung ihrer eigenen Nachfolgeridentität zu erleichtern.
FamilienUnternehmerTUN
Es beschreibt für uns das Handeln, den Verstand, die Tiefenanalyse und die Wirkungen, die sich dadurch zeigen.
Während eines Quereinstiegs in das Familienunternehmen befinden sich Nachfolger:innen in einer außergewöhnlichen Krisensituation. In dieser Zeit müssen sie sich nicht nur mit eigenen emotionalen Herausforderungen auseinandersetzen, sondern auch die Zukunft des Unternehmens, der Mitarbeiter:innen und der gesamten Hinterlassenschaft bedenken. Die Notwendigkeit einer schnellen Anpassungsfähigkeit und das Durchlaufen einer steilen Lernkurve wirken sich auf die Identitätsentwicklung und (Führungs-)Persönlichkeit der Quereinsteiger:innen, die sich anfangs nicht mit der Nachfolger:innenrolle identifizieren können oder möchten, aus.
Die Auswertung qualitativer Daten aus Interviews mit Nachfolger:innen und Expert:innen zeigten Überschneidungen von Identitätskonstrukten und Erfahrungen. Während die interviewten Quereinsteiger:innen bereits früh unternehmerisches Denken, Risikobereitschaft und Verantwortungsbewusstsein zeigten, gaben sie auch die fehlende Identifikation mit dem elterlichen Unternehmen und ein Desinteresse an einer Nachfolge an.
FamilienUnternehmerSEIN
Es beschreibt für uns das Gefühl, das Herz, die Emotionalität und die Erlebnisse, die Menschen miteinander verbinden.
In der Initialphase der Nachfolge betonten die Interviewees den hohen Stellenwert von rationalen Entscheidungen, eigenen Arbeitsweisen und effizienten Teams. Die Kandidat:innen gaben außerdem an, dass diese Anfangsphase von dem Gefühl der Notwendigkeit zu „funktionieren“ geprägt war, was zu einer „Just do it“-Mentalität führte. Auch eine emotionale Verarbeitung der Geschehnisse wird durch die Notwendigkeit von schnellen Entscheidungen und Taten auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.
Quereinsteiger:innen fühlten sich während der initialen Nachfolgephase oft verloren oder im Stich gelassen, was sie zumeist im Sinne von „learning by doing“ handeln ließ. Diese Eigeninitiative gab Nachfolger:innen das Selbstbewusstsein, weitere Projekte und Entscheidungen eigenständig umzusetzen und persönliche Muster bezüglich Unternehmensführung und Problemlösung zu entwickeln.
Die post-initiale Nachfolgephase zeigte schließlich, dass sich die Quereinsteiger:innen nach durchschnittlich drei Jahren wohl und selbstsicher in ihrer Rolle als Familienunternehmer:innen fühlten. Auch die Aufarbeitung emotionaler Geschehnisse, wie Tod oder Erkrankung der Vorgänger:innen, konnte in dieser Phase nachgeholt werden.
Während des Durchlaufens der verschiedenen Nachfolgephasen – vor, während und nach Eintreten des unvorhergesehenen Events – zeigten die interviewten Kandidat:innen einen kontinuierlichen, stetigen Entwicklungsprozess der eigenen Nachfolgeridentität. Geprägt war dieser darüber hinaus von charakteristischen Meilensteinen, wie der Erschließung des eigenen Führungsstils, der Erstellung eigener Teams und Arbeitsweisen sowie Kontaktaufnahmen zu anderen Nachfolger:innen.
Enkelfähigkeit im Denken und Handeln
Sie bedeutet für uns Zukunftsfähigkeit, Nachhaltigkeit & langfristige Wirksamkeit über Generationen.
Eine fehlende Nachfolgeregelung bei Eintreten unvorhergesehener Ereignisse erschwerte den Interviewten die Übernahme täglicher Geschäftsprozesse. Daher zeigten die Quereinsteiger:innen hohes Interesse an der frühzeitigen Regelung der eigenen Nachfolge, um Erlerntes weiterzugeben und Krisen präventiv entgegenzuwirken. Der Fokus präventiver Maßnahmen lag auf der Initialphase der Nachfolge, wie beispielsweise der Entwicklung eines Notfallkonzepts und Durchführung von Stresstests, kombiniert mit regelmäßigen Meetings und der Ernennung eines Kernteams für Notfallmanagement, bestehend aus sachkundigen Mitarbeiter:innen verschiedener Abteilungen. Des Weiteren sollten Quereinsteiger:innen die Möglichkeit nutzen, externe Unterstützungssysteme wie bspw. Sparringspartner:innen in Anspruch zu nehmen, um emotionale und professionelle Herausforderungen während Krisensituationen zu bewältigen.
Außerdem besteht die Möglichkeit, potentielle Nachfolger:innen bereits früh auf einen möglichen Quereinstieg vorzubereiten: unternehmerisches Denken und rationale Entscheidungsfindung sind Fähigkeiten, die auch in nahezu allen Tätigkeitsfeldern hilfreich sind.
Die Nachfolge eines Familienunternehmens stellt meist eine Herausforderung dar und das umso mehr, je unvorhergesehener sie eintritt. Die Entwicklung präventiver Maßnahmen sowie die Orientierung an Meilensteinen können dabei dazu beitragen, das Bestehen von Familienunternehmen auch in Krisen zu sichern.
Pia Morrow ist selbst Nachfolgerin im familieneigenen Unternehmen. Ihren Bachelor of Science absolvierte sie an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Oestrich-Winkel und schrieb ihre Abschlussarbeit am Entrepreneurship & Family Firm Institute (EFFI) der EBS unter Aufsicht von Prof. Dr. Matthias Waldkirch.
Sofern Sie Interesse an der ganzen Bachelorarbeit haben, kontaktieren Sie bitte Pia Morrow unter pia.morrow@outlook.com.
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