Treuhändermentalität: Transgenerationalität in dynastischen Unternehmerfamilien.
Grosszahlige und mehrgenerationale Unternehmerfamilien definieren sich nicht mehr allein über Blutsverwandtschaft und Eigentum. In dynastischen Unternehmerfamilien wird daher ein moralischer Diskurs über viel weitreichendere Aspekte des Gesellschafterdaseins wie etwa über Transgenerationalität geführt, der bei den individuellen Eigentümer:innen zu einem Standpunkt gegenüber dem Familienvermögen beitragen soll. Wie lässt sich der Standpunkt der «Treuhändermentalität» in dynastischen Unternehmerfamilien herstellen?
FamilienUnternehmerTUN
Es beschreibt für uns das Handeln, den Verstand, die Tiefenanalyse und die Wirkungen, die sich dadurch zeigen.
Wer sich in einer großzahligen und mehrgenerationalen Gesellschafterfamilie als «Treuhänder:in» des Familienvermögens versteht, handelt im Sinne der nächsten Gesellschaftergeneration. Ein:e Gesellschafter:in als Treuhänder:in betrachtet die Unternehmensanteile nicht als sein oder ihr Eigen, sondern als etwas, was er oder sie bekommt, um es zu behüten, zu pflegen, bestenfalls zu vermehren und weiterzugeben an die nächste Generation. Vier Doing-Business-Family-Praktiken zur Herstellung der Treuhändermentalität, die aus einer qualitativen Untersuchung mit sieben dynastischen Unternehmerfamilien aus dem deutschsprachigen Raum gewonnen werden konnten, führen dazu, dass die Eigentümerschaft gefühlsmäßig und wertebasiert interpretiert wird. Mithilfe der «familiären, emotionalen, personellen und finanziellen Herstellungspraxen» können dynastische Unternehmerfamilien differenziert nachvollziehen, wie ihnen das bisher gelingt, was die Treuhändermentalität in jeder Generation etabliert: ihren sozialen wie wirtschaftlichen Zusammenhalt mit Blick auf die gemeinsame Verantwortung für ihr Familienunternehmen. Die familiären Praxen helfen dabei, das familiäre Gleichheitsideal in der dynastischen Unternehmerfamilie zu verwirklichen, indem im System Familie das Gefühl von familiärer Gerechtigkeit (Gleichheit) erzeugt wird, obwohl es im System Eigentum unterschiedlich große Anteile gibt. Mit den emotionalen Praxen wird der Standpunkt Treuhändermentalität durch eine emotionale Aufladung des Gesellschafteranteils hergestellt. Die personellen Praxen stellen die Treuhändermentalität über Personen, die in wichtigen Gremien des Familienunternehmens vertreten sind, her. Die finanziellen Praxen stellen Handlungsmöglichkeiten für Unternehmerfamilien dar, um die Liquiditätsbedürfnisse der Gesellschafter:innen im Sinne der Überlegungen zu Think about Liquidity and Capital zu berücksichtigen.
FamilienUnternehmerSEIN
Es beschreibt für uns das Gefühl, das Herz, die Emotionalität und die Erlebnisse, die Menschen miteinander verbinden.
Mit den vier Praxen der Treuhändermentalität kann es großen Unternehmerfamilien gelingen, dass sich Eigentümer:innen mit sehr kleinen Anteilen stärker mit dem über viele Generationen gewachsenen Familienunternehmertum identifizieren. Die Treuhändermentalität trägt dazu bei, dass auf der individuellen Gesellschafterebene die emotionale Verbindung zum großen und (nicht nur geographisch) zerstreuten Eigentümerkreis erhalten bleibt.
Enkelfähigkeit im Denken und Handeln
Sie bedeutet für uns Zukunftsfähigkeit, Nachhaltigkeit & langfristige Wirksamkeit über Generationen.
Die vier Praktiken fördern das transgenerationale Denken sowie Handeln der Unternehmerfamilie und damit nachhaltiges und zukunftsfähiges Familienunternehmertum. Familiengesellschafter:innen, die sich als Treuhänder:innen verstehen, betrachten ihren Anteil als transgenerationale Wertanlage und Langzeitinvestition, die durch unternehmerfamiliäre Massnahmen gepflegt und so bestenfalls im Wert gesteigert an die nächste Generation weitergegeben werden kann. In Zukunft können grosszahlige und mehrgenerationale Unternehmerfamilien mit dem treuhänderischen Standpunkt dazu beitragen, dass der Gesellschafterkreis vor dem Zerfall bewahrt wird. Denn die beschriebenen Aspekte der Transgenerationalität, Identität und des Zusammenhalts sind auf Gesellschafterebene nicht durch den alleinigen Status der familiären Mitgliedschaft gegeben. Sie müssen hergestellt werden.
Dr. Fabian Friedrich Arthur Simons studierte nach abgeschlossener Berufsausbildung an der Bergischen Universität Wuppertal Wirtschaftswissenschaften. Anschließend absolvierte er als externer Doktorand am WIFU-Stiftungslehrstuhl für Organisation und Entwicklung von Unternehmerfamilien der Universität Witten/Herdecke ein Promotionsstudium. Einblicke in die in diesem Zusammenhang entstandene Publikation, auf die sich auch der obenstehende Beitrag bezieht, finden Sie hier.
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