Ohne mich geht’s nicht: Wenn Loslassen schwer fällt.
Jede Veränderung in unserem Leben hat Einfluss auf unsere Identität. Ein neuer Aufgabenbereich, sich verändernde Erfolgskriterien … alle Faktoren unserer Lebensrealität definieren bewusst und unbewusst, was wir wie selbstverständlich als “Ich” beschreiben. Verändert sich unsere professionelle Rolle, muss unsere Psyche Energie aufwenden, um eine neue Geschichte darüber zu entwickeln, wer wir sind.
FamilienUnternehmerTUN
Es beschreibt für uns das Handeln, den Verstand, die Tiefenanalyse und die Wirkungen, die sich dadurch zeigen.
Und das kann unangenehm werden, vor allem in Familienunternehmen, wenn die Frage der Nachfolge auf den Tisch kommt und trotz aller Gespräche und ausgefeilter Pläne ein (oft unausgesprochener) Satz Sand ins Getriebe streut: “Ohne mich geht es nicht”.
Erklärt wird sich dies nicht selten mit einem allzu dominanten Verantwortungsbewusstsein. Und das mag auch stimmen ... aber nur zum Teil: Viel relevanter ist an dieser Stelle das Bedürfnis, die innere Krise zu vermeiden, die diese Veränderung mit sich bringt: Wer bin ich eigentlich noch ohne meine Rolle?
FamilienUnternehmerSEIN
Es beschreibt für uns das Gefühl, das Herz, die Emotionalität und die Erlebnisse, die Menschen miteinander verbinden.
Wie kaum eine andere berufliche Struktur beantwortet die eigene Rolle im Familienunternehmen scheinbar automatisch die Frage nach der eigenen Identität und dem eigenen Platz in der Welt. Ein positiver Effekt, könnte man sagen. Doch je mehr Zeit vergeht, desto mehr verschmilzt das, was wir tun, mit dem, was wir sind. Und wenn das Tun schließlich aufhört, fühlt sich das bedrohlich an. Die Folge: Festhalten an einer Struktur, die so lange dafür gesorgt hat, dass diese Leere keinen Raum bekommt.
Die Herausforderung im richtigen Moment loszulassen und sich nicht hinter einem über-beanspruchten Gefühl von Verantwortung vor der Suche nach sich selbst zu verstecken, ist ein zutiefst menschliches Dilemma, das unserem Ringen zwischen Zugehörigkeit und Selbstausdruck zugrunde liegt. Doch Familienunternehmen haben hier auch einen oft unterschätzten Vorteil: die Familie. Denn jenseits des Unternehmens gibt es eine Gruppe von Menschen, in deren Mitte wir im besten Fall zuallererst SEIN können, ohne etwas TUN zu müssen. Denn auch jenseits von Unternehmen und Rolle bleibt eine Familie und eine Geschichte, die nicht nur Bindung, sondern auch Identität stiften kann. Das viel beschworene “Erbe” definiert sich eben nicht nur über den Wert des Unternehmens, sondern auch über die Menschen, die die eigene Geschichte kennen und fortschreiben können.
Enkelfähigkeit im Denken und Handeln
Sie bedeutet für uns Zukunftsfähigkeit, Nachhaltigkeit & langfristige Wirksamkeit über Generationen.
Und am Ende liegt darin auch der Motor, der wieder Bewegung in den Übergang bringen kann: Wenn es gilt loszulassen, sind nicht Pläne, Strukturen und Organigramme relevant, sondern Beziehungen! Ein solcher Übergang ermöglicht noch einmal neu in die Beziehungen zu investieren, die unsere Identität in Zukunft formen sollen – allen voran die Beziehung zu sich selbst. Denn durch die mutige Auseinandersetzung mit sich selbst – jenseits von Familie und Unternehmen – kann eine solche Veränderung aus einem “Weniger Tun” ein “Mehr Sein” machen.
Tina Egolf hat sich als Executive Coach auf die Arbeit mit unbewussten systemischen und persönlichen Dynamiken spezialisiert. Sie arbeitet primär mit Führungskräften und Führungsteams, um sie gleichzeitig souveräner, wirkungsvoller und gelassener zu machen. FUTUN kooperiert mit Tina Egolf in der individuellen Begleitung von Mitgliedern aus Unternehmerfamilien auf deren persönlichen Entwicklungswegen.
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